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"Das Schönste am Streit ist die Versöhnung"

Der Blog-Artikel letzte Woche trug die Überschrift „Wir müssen mal reden“. Was aber, wenn die Fronten so verhärtet sind, so verletzende Worte bereits gefallen sind, wir so in unserer Emotion gefangen sind, dass wir überhaupt nicht mehr miteinander reden können oder gar wollen? 

 

„Das Schönste am Streit ist die Versöhnung“… leichter gesagt als getan, oder? Denn versöhnen, verzeihen oder vergeben ist eine der schwersten Disziplinen im menschlichen Miteinander – und im Umgang mit sich selbst! Und dennoch unverzichtbar, wenn wir unsere Energie und neue Freiräume zurückgewinnen, den inneren Frieden bewahren und mit der Liebe in Berührung bleiben wollen.

 

Doch wie kommen wir dort hin? Wie können wir verzeihen, wenn wir so verletzt worden sind, dass uns ein aufeinander zugehen beinahe unmöglich erscheint? Wenn wir so voller Wut, Zorn oder Groll sind, dass wir uns am anderen viel lieber rächen würden oder unsere aufgeladenen destruktiven Emotionen am liebsten an dem/der Verursacher/in abreagieren würden?  

 

All das kommt in den besten Familien vor und hat jede*r schonmal kennengelernt, wenn auch auf ganz individuelle Weise. Wir alle sind in solchen Schleifen schon mal festgesteckt, weil jemand anders beabsichtigt oder nicht, uns in unserer Würde verletzt und gekränkt hat. Die Worte haben sich dann überschlagen, waren gespickt von Rechtfertigung, Zurückschießen oder vielleicht sogar Beleidigungen. In der Wut können Worte über unsere Lippen kommen, die sich für den anderen messerscharf anfühlen können – und manchmal auch sollen.

 

Es gibt aber auch verletzende Erfahrungen in unserem Leben, die schon lange zurückliegen. Und statt sie dort zu lassen, wo sie stattgefunden haben, nämlich in unserer Vergangenheit, tragen wir sie als Ballast mit durch unser weiteres Leben - bis zum heutigen Tag. Und jedes Mal, wenn unsere Erinnerung daran geweckt oder auch unterbewusst durch ähnliche Erlebnisse getriggert wird, fühlen wir dieselben Gefühle wie damals, obwohl es im Hier und Jetzt vielleicht gerade um etwas völlig anderes geht. Genau das sind die Situationen, in denen wir „rot“ sehen oder gehörte Wörter uns aus der Haut fahren lassen. 

 

Natürlich steht es Dir zu, diese Reaktionsweisen beizubehalten und Dich über Situationen und das Verhalten anderer auch weiterhin aufzuregen. Das ist Dein gutes Recht! Das Problem dabei ist nur, wenn wir gegen einen Menschen oder eine Begebenheit Groll hegen oder hassen, fühlt das nicht (nur) der andere, sondern vor allem wir selbst. Wir sind es, die diese Ablehnung und destruktiven Gefühle im Herzen tragen, was letztlich unsere Gedanken und unser Handeln bestimmt oder uns sogar vollkommen vereinnahmt.

 

„Verzeihen und Vergeben ist der Weg, unsere Verletzungen und Wunden zu heilen, uns zu anderen und zu uns selbst wieder in Beziehung zu setzen“, schrieb Elisabeth Kübler-Ross, die schwerstkranke und sterbende Menschen begleitet hat. Sterbende finden oft den Frieden, der ihnen im Leben fehlte, weil Sterben loslassen heißt. 

 

Und weiter schreibt sie „Verzeihen heißt nicht, dass wir dadurch das Verhalten, das uns verletzt hat, gutheißen und es ist auch nicht in Ordnung, wenn uns jemand verletzt. Verzeihen heißt, dass wir die Verletzung um unserer selbst willen loslassen, damit wir uns nicht gezwungen fühlen, im Unglück zu leben, wenn wir an unserem Groll festhalten“. 

 

Wenn wir innerlich permanente und immer wiederkehrende Auflistungen machen, wer mir wann seelische Schmerzen zugefügt hat, sind wir im Opfermodus. Wir meinen dann zwar Stärke und Überlegenheit zu spüren, wenn wir nicht verzeihen, aber eigentlich ist diese Wirkung, wenn überhaupt, dann nur von kurzer Dauer.

 

Versöhnung ist eine innere Einstellung und erst in zweiter Linie eine zwischenmenschliche Geste! Wir dürfen uns mit uns selbst, unseren Fehlern, mit unseren Einstellungen, unseren Schicksalsschlägen, den Ungerechtigkeiten, die wir erleiden mussten, mit falschen Entscheidungen, die wir getroffen haben, mit unseren empfundenen Unzulänglichkeiten, kurz mit unserem Leben wie wir es bislang gelebt haben, mit allen Höhen und Tiefen, versöhnen. Es annehmen als das, was es ist und auch uns annehmen als das, was wir sind: als Mensch!

 

Und auch, wenn wir „das Göttliche“ in uns tragen, so sind wir dennoch menschlich und damit fehlerhaft. Wir haben Ecken und Kanten, Stärken und Schwächen und wir würden anders handeln, wüssten wir einen besseren Weg. Niemand trifft die Entscheidung „aha, das ist ein guter Fehler, den ich jetzt machen könnte“ oder „ich mache das jetzt, damit es mir oder jemand anderem hinterher so richtig schlecht geht!“

 

Doch jeder Mensch ist mehr als seine Fehler und darin besteht der erste Schritt der Versöhnung. Der zweite Schritt ist, sich seinem Zorn, seiner Wut oder seinem Groll zu stellen und diesen nicht immer wieder wegzudrücken oder aufzusummieren, bis er beim nächsten Mal uns wieder mit voller Wucht vereinnahmt. Denn hinter der Wut liegen meist ganz andere Gefühle wie Verzweiflung, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Sehnsucht, mangelndes Selbstwertgefühl und dergleichen, die ihren Ursprung in unserer Lebensgeschichte und nicht in der aktuellen Streitsituation haben. 

 

Letztlich können wir unseren inneren Frieden, unsere Lebendigkeit und Liebesfähigkeit nur zurückerlangen, wenn wir lernen diese Gefühle loslassen. Wenn wir ihnen ihren eigentlichen Platz als Botschafter und hilfreiche Wegweiser in unserem Leben geben und sie in unser Selbstbild integrieren, damit sie forthin für und nicht gegen uns wirken können. Dann öffnet sich wieder unser Blick und unser Herz wendet sich wieder den vor uns liegenden Möglichkeiten zu - denn in jedem von steckt noch so viel ungelebtes Leben, das nur darauf wartet, von uns gelebt zu werden!

 

Ich verabschiede mich von Dir mit einem kleinen augenzwinkernden Gedicht von Eugen Roth in ein hoffentlich sonniges Wochenende und sende Dir herzliche Grüße,

Deine Corinna 

 

 

 

Kleiner Unterschied

 

Ein Mensch, dem Unrecht offenbar geschehn´ von einem andern war, 

prüft ohne eitlen Eigenwahn: was hätt´ in dem Fall ich getan?

Wobei er feststellt, wenn´s auch peinlich: genau dasselbe, höchstwahrscheinlich.

Der ganze Unterschied liegt nur in unsrer menschlichen Natur,

die sich beim Unrecht-Leiden rührt, doch Unrecht-Tun fast gar nicht spürt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Tine (Freitag, 04 Juni 2021 20:18)

    Liebe Corinna, deine Artikel sind einfach wunderbar zu lesen und regen mich immer zum Nachdenken an. Ich freu mich jede Woche darauf!!!!! :-)