Zartherzige Mütter
Von Kraftquellen, Grenzen und unserem eigenen Selbst
zartherzig - das ist meine Umschreibung für diejenigen von uns, die ein feines Gespür haben, die empfindsam sind, deren Antennen immer auf Empfang gestellt sind. Wenn das auf Dich zutrifft, dann kennst Du vielleicht auch diese Herausforderungen: Du bist schneller reizüberflutet als andere, verlierst Dich oft im Familientrubel, sehnst Dich nach Rückzug und brauchst das Alleinsein, um Kraft zu tanken. Dein zartes Herz ist zugleich der Entstehungsort für intensive Emotionen und eine Kraftquelle, die Erholung braucht, um nicht zu versiegen.
Hochsensibel sein als Mutter - Was heißt das?
Etwa 20% aller Menschen sind hochsensibel. Es handelt sich dabei um ein Persönlichkeitsmerkmal, das zu uns gehört wie unsere Augenfarbe oder unsere Körperstatur. Das ist auch der Grund, warum sogenannte Ratschläge wie „Leg‘ Dir mal ein dickeres Fell zu!“ oder „Stell‘ Dich nicht so an!“ nicht funktionieren. Ebenso könnte jemand zu uns sagen: „Ändere mal Deine Augenfarbe von grün zu blau!“.
Als Mutter hochsensibel durch das Leben zu gehen, bedeutet vor allem, ALLE Facetten des Lebens intensiver und detaillierter aufzunehmen: Emotionen, Gerüche, Geräusche, Licht…die Welt um uns herum trifft uns manchmal mit ihrer vollen Wucht, und auch in ihrer vollen Pracht. Ist es auf der anderen Seite nicht faszinierend, dass wir diese ganze Palette wahrnehmen können? Und dass wir uns die Emotionen unserer Mitmenschen (und auch die von fremden Personen) zu eigen machen und sie damit ziemlich genau nachfühlen können? So viel Fülle, so viel Empathie, so viel Tiefe…ich glaube, wir sind für unsere Liebsten mit diesen Qualitäten ziemlich wertvoll.
Und was bedeutet das für Deinen Alltag? Unter anderem, dass Du einerseits vor der Herausforderung stehst, diese zahlreichen Eindrücke zu verarbeiten und Dich andererseits aber gut abgrenzen solltest, um nicht die ganze Energie im Außen zu verlieren.
Warum ist das zeitweise Abgrenzen so wichtig für hochsensible Frauen?
Wir brauchen Grenzen, damit wir wissen, wo wir noch bei uns sind, wo wir aufhören und wo andere Menschen anfangen. Damit wir einen Schutzraum haben, unsere Wohlfühlzone kennen, und damit wir ganz wir selbst sein können. „Wenn du ganz Du selbst bist, bist Du am schönsten“ - so lautet das Motto für meine Arbeit mit hochsensiblen Frauen. Haben wir mit unserem zarten Herz der Welt nicht eine Menge zu geben? Das können wir vor allem dann, wenn wir unser Potenzial kennen und nutzen. Und wenn wir uns nicht für andere Menschen verbiegen, sondern uns immer wieder unseren eigenen Standpunkt klarmachen. Das gilt in gewisser Weise auch im Kontakt mit unseren Kindern.
Dass wir uns gut abgrenzen, ist nicht nur im Hinblick auf unsere Kinder wichtig. Wir wollen unseren Partner unterstützen. Wir wollen unseren Beruf gut machen. Wir haben gern ein aufgeräumtes Haus, in dem wir uns wohlfühlen. Und wir fragen uns, was wohl unsere Eltern, Schwiegereltern, Freundinnen, … von uns denken. Einfach jede*r um uns herum erhält einen Platz und eine Stimme in unserem Kopf. All diese gedachten Erwartungen können uns aus uns herausrücken lassen. Kennst Du das Gefühl, etwas getan zu haben, weil es jemand von Dir erwartet, obwohl es Dir gar nicht entspricht? An diesem Punkt fordert ein Unwohlsein im Nachgang möglicherweise Deine Aufmerksamkeit ein. Es ist Zeit, auf Dich selbst zu schauen.
Wie schaffe ich es, den Blick auf mich zu lenken?
Um gut für uns selbst und auch unsere Familie sorgen zu können, müssen wir unsere eigenen Bedürfnisseerst einmal wahrnehmen und am besten spüren wir diese, wenn wir ganz bei uns sind. Und das ist im alltäglichen Familientrubel alles andere als einfach. Wahrscheinlich bist Du - wie die allermeisten Mütter - häufig zerrissen zwischen den Bedürfnissen Deiner Kinder, Deines Partners, Deiner erweiterten Familie und Deinen eigenen. Wahrscheinlich hast Du aber auch - wie die allermeisten Mütter - eine Intuition, die Dir wichtige Signale sendet in Bezug auf Dein Wohlbefinden. Dieser Stimme wieder Vertrauen und Gehör zu schenken, ist das Beste, was Du für Dich tun kannst. Und alles was Du für Dich tust, um Deine eigenen Reserven wieder aufzufüllen, kommt letztlich Deinem eigenen Wohlbefinden und auch Deiner Familie zugute. Dann bist Du ausgeglichen, spürst Dich selbst gut und kannst Deinen Kindern und Deinem Partner die Aufmerksamkeit schenken, die einem harmonischen Miteinander gut tut.
3 Tipps für deinen Alltag als hochsensible Mutter
Ich möchte Dir drei kleine, einfache Tipps für Deinen Alltag mitgeben, um Dir kurze Momente für Deine Kraftquellen zu schaffen.
1. Ich entscheide mich.
Es braucht vielleicht etwas Übung, doch Du kannst die Entscheidung treffen, Dich von einer Emotion oder einer anderen Person nicht voll und ganz vereinnahmen zu lassen. Du kannst zum Beispiel für Dich beschließen, die Wut Deines Kindes nicht gänzlich überschwappen zu lassen, etwa durch ein Mantra wie „Die Wut meines Kindes ist nicht meine.“ Und vielleicht entscheidest Du in einem anderen Moment, Dich ganz bewusst von seiner Fröhlichkeit anstecken zu lassen.
2. Ich spüre meinen Körper.
Wir sind oft so sehr im Außen, dass wir uns selbst verlieren. Um wieder in Deinem Körper anzukommen, halte kurz inne und nimm‘ Dich selbst wahr. Ein Beispiel: Ich spüre, wie meine Füße den Boden berühren und wie ich neue Energie aufnehme.
3. Ich tue mir etwas Gutes.
Je erschöpfter du bist, desto genervter bist du vielleicht auch, wenn deine Kinder etwas von dir einfordern. Du kannst für kleine Erholungsinseln im Alltag sorgen und diese ganz bewusst für Dich nutzen. Zum Beispiel kannst Du auf dem Balkon oder der Terrasse drei Mal ganz tief durchatmen, 10 Minuten in einem schönen Buch lesen oder kurz meditieren, während die Kinder - noch oder schon - schlafen.
Nimm‘ dich selbst an.
Meiner Erfahrung nach beginnt mit der „Entdeckung“ der eigenen Hochsensibilität ein Weg. Ich mache mich auf den Weg, mich anzunehmen: Mit meiner ganzen Feinfühligkeit, mit meiner Verletzlichkeit, mit meinem Bedürfnis nach Rückzug. Und dann kann ich mich freuen über den Reichtum, den ich als zartherzige Mutter spüren darf. Und ich finde Wege, mit der Herausforderung gut umzugehen.
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